Lehr- und Lernmaterial

Wort und Bild

 

 

Das Material

 

Damit alle Schüler grundsätzlich die Chance haben, einen Schulabschluss zu erhalten, muss die Förderung und damit das Lernmaterial flexibel und zielführend, gleichzeitig aber für verschiedene Altersstufen und unterschiedlicher Begabungen einsetzbar sein.
Lernmaterial für die Sekundarstufe I muss die Schüler in vergleichweise kurzer Zeit zu ihrem Ziel führen. Daher kann es nicht mehr im Sinne „kindgerechter” Gestaltung verspielt und animierend sein. Wenn auch sicher in den Augen der Schüler anziehend und reizvoll mit Cartoons, Ausmallösungen oder anderen Auflockerungen versehen, arbeiten Schüler mit „für Kinder” gestaltetem Arbeitsmaterial nicht besser - und vor allem erfahrungsgemäß viel langsamer - als mit auf den ersten Blick „nüchternem” Lernmaterial.
„Kindgerecht” heißt nicht zwangsläufig, alle Übungen mit Cartoons oder Teddybärchen zu garnieren. Kindern unserer Zielgruppe wird man vielmehr gerecht, wenn sie sich ernst genommen fühlen ihrer Not, sich nicht richtig verständigen zu können und die neue Lebenswelt nicht zu verstehen.
So ist das Lernmaterial vergleichweise sachlich gestaltet und stark auf Interaktion mit dem Lehrer ausgerichtet. Nur so kann in heterogenen Lerngruppen ausreichende Kontrolle stattfinden.
Eine Sprache in kurzer Zeit bis zum Niveau einer Abschlussprüfung zu erlernen gibt selbstverständlich Notwendigkeiten vor, die die Freiheit der Wahl des individuellen Lernweges für unsere Schüler  umso mehr einschränkt, je älter sie sind, wenn sie nach Deutschland kommen.

Fröhliches, auch spielerisches Lernen sehr ernster Dinge in eigenem Tempo ist den Schülern angemessen, nimmt sie und ihre Fähigkeit zu arbeiten und arbeiten zu wollen ernst.
Die Ideen Maria Montessoris zur Gestaltung von Arbeitsmaterial und die Überzeugung, dass jedes Kind einem "inneren Bauplan" folgt und Energien aufwendet, um ihn zu verwirklichen, leiten bei der Gestaltung der Lernumgebung.

Die Schüler erfahren im Sinne Montessoris eine „vorbereitete Umgebung”, in der sie so vielfältige Lern-Anregungen finden, dass jedes Kind sich angesprochen fühlen kann.
Der Lehrer übernimmt die Lotsenfunktion, lässt aber ausreichend Freiraum zu eigenständigem Lernen und eigenen Ideen. Der Lehrer beobachtet und steuert.

Grenzen werden gesetzt, wo Grenzen anderer überschritten würden.

 

Die Lehrer stellen die Lernumgebung und die Lernmaterialien zur Verfügung.
Zwischen Konjunktiv und Pythagoras, Schreibschrift und Artikeln, Wortarten und Satzgliedern begleitet und hilft der Lehrer mal hier und mal dort.
Gute Kenntnis des Materials und seiner Möglichkeiten sind unabdingbar.
Nur der dauernde Kontakt zwischen Schüler und Lehrer im Gespräch über schriftliche Arbeiten gewährleistet auch den mündlichen Anteil des Spracherwerbs.

Anfangs sind nur Anleitungen und Hilfestellungen möglich, später entwickeln sich durch das Material angeregte Diskussionen zu durchaus grundsätzlichen Fragen.

 

Das Material soll den bekannten Kriterien aus der Montessori-Pädagogik entsprechen:


•    Es soll ästhetisch ansprechend sein. Viele Materialien sind handwerklich gestaltet.

      Bilder und Farben werden nur eingesetzt, wenn sie eine inhaltliche Funktion haben.


•    Selbstkontrolle kann da eingesetzt werden, wo feste Lösungen vorgegeben sind.

 

•    Durch die Materialien soll Selbsttätigkeit angeregt werden. Die Kinder sollen selbst schreiben, möglichst von Anfang an in ganzen Sätzen. Sie sollten nicht nur Lücken ausfüllen. Sie sollten mit Kopf und Hand erfassen, was sie lernen. Anschauungsmaterial fordert zum “Spielen” mit Gedanken und Wörtern auf.


•    Probleme und Eigenschaften sollen möglichst sukzessive, logisch aufgebaut und voneinander isoliert angeboten werden. Bestimmte Wörter sollten anfangs immer wieder auftauchen, in einer Übung immer nur (möglichst) ein einziger neuer Aspekt oder eine Schwierigkeitsstufe dazu kommen.


•    Die einzelnen Arbeitsblätter oder Lernkarten sollen geschlossene Übungen bilden, die jedoch aufeinander aufbauen. Das Kapitel und das einzelne Blatt soll jederzeit in kleinem Zusammenhang erinnert werden können. Jedes Kapitel soll alle relevanten neuen Informationen einführen und jederzeit die Möglichkeit bieten nachzuschlagen.


•    Jedes Kapitel, jedes Arbeitsblatt, jede Übung soll beliebig oft wiederholbar sein. Alles muss kopierbar oder wiederverwendbar sein. Alle Arbeitsblätter bilden am Ende für den Schüler ein großes Nachschlagewerk, in dem er die eigenen Lernfortschritte nachvollziehen kann.


•    Dem Aufforderungscharakter der Materialien werden Arbeitsblätter nicht immer auf den ersten Blick gerecht. Interesse wird durch die gewählten Themen geweckt. Vokabeln lernen ist mit Plastikfiguren vor allem für die jungen Schüler attraktiv. Ältere Schüler finden Arbeitshilfen, Modelle und Objekte aus Biologie, Geographie, Geschichte oder Mathematik vor. Diese Objekte sollen interessieren, die Phantasie anregen, Fragen herausfordern...


In heterogenen Lerngruppen müssen strukturell Raum und Zeitreserven geschaffen werden, damit der Lehrer sich in Ruhe eine Weile intensiv mit einzelnen Kindern beschäftigen kann. Die Materialien müssen dazu geeignet sein, dass die Schüler über längere Strecken selbständig arbeiten können und nur für eine Kontrolle auf den Lehrer zurückgreifen müssen.

Der Lernstand jedes Kindes muss jederzeit ablesbar sein.
Es müssen immer wieder neue Entscheidungen über Wege und Materialien möglich sein. Es sind nicht nur Defizite zu behandeln, sondern auch Stärken zu fördern.

Jedes Kind muss jederzeit auf seinem individuellen Lernstand in die Arbeit einsteigen können. Es soll Mitverantwortung für sein Lernen tragen und eigene Entscheidungen treffen dürfen in einem Rahmen, den der Lehrer aus Kenntnis des Lernstandes vorgibt.
Die Übungen werden ergänzt in Anleitungen durch den Lehrer, schriftliche Arbeiten  verlangen das Sprechen darüber, konstruktive Korrekturen setzen verstehendes Mitdenken des Schülers und eigene Lösungsvorschläge voraus.
Der eigentliche Wert der gedruckten Lernmaterialien entwickelt sich daher erst im gemeinsamen Arbeiten von Lehrer und Schüler.


Das vorliegende Material ist als Sammlung zur Grundlage individueller Unterrichtsgestaltung im Sinne maximaler Binnendifferenzierung zu verstehen.
Den Unterricht oder die selbständige, begleitete Arbeit der Schüler muss und kann jeder Kollege nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten.

Bei Anwendung des vorliegenden Lernmaterials ist sichergestellt, dass die Schüler losgelöst vom Fachunterricht Grundlagen lernen.
Sie halten sich so lange bei einem Thema auf, wie es ihrem Lerntempo und der individuell notwendigen Übung entspricht.

Förderpläne und individuelle Ziele werden jeweils für mehrere Förderstunden festgelegt.

In heterogenen Deutsch-Gruppen kommt immer wieder etwas dazwischen, das alle Planungen ad absurdum führt:
Morgens steht plötzlich ein neuer Schüler vor der Tür oder in einer Klasse ist eine Mathematikarbeit angesetzt, ein Schüler hat am Vortag die Textaufgaben nicht verstanden. Alle anderen Schüler müssen in solchen Situationen verlässlich alleine arbeiten können.

Eine langfristige Vorbereitung und Planung setzt Zeit für die Arbeit mit dem Schüler frei. Dennoch kann die Arbeit jederzeit - z.B. durch Auswahl oder Wiederholung von Aufgaben - an die Bedürfnisse des einzelnen Schülers angepasst werden.
Die Einteilung in Kapitel (Themenpläne) lassen langfristige Planung wie auch kurzfristige Änderung der Förderpläne zu.

Die Schüler können jederzeit auch außerplanmäßig (z.B. bei Aufteilung einer Klasse oder Vertretungsunterricht) individuell dort weiter arbeiten, wo sie in der vorigen Förderstunde aufgehört haben.


Vorbereitende Arbeit ist für den Lehrer daher eher langfristig zu verstehen. Der Lehrer gestaltet kontinuierlich die vorbereitete Umgebung und aktualisiert das Arbeitsmaterial.

 

 

Vorbereitete Umgebung


Kinder mit Migrationshintergrund haben in vielen Fällen eine mehr oder weniger belastende Odyssee zwischen der ehemaligen Heimat und ihrem neuen Wohnort hinter sich. Diese Kinder benötigen in besonderem Maße auch in der Schule einen festen Anlaufpunkt, eine verlässliche Bezugsperson.

Da Seiteneinsteiger anfangs nur bestimmte Stunden in ihrer Stammklasse verbringen können, soll der Förderraum eine „zweite Heimat” innerhalb der Schule bieten.
Eine ansprechende und anregende Einrichtung versteht sich von selbst.
Vielerlei Gegenstände laden zum Lernen ein.
Themengebunden bieten sich reale Gegenstände oder auch Modelle an, die hohen Aufforderungscharakter haben.
Die Umgebung soll anregen, Gegenstände des Alltags kennen zu lernen und zu benennen.
Vor allem Gegenstände, die kulturübergreifend bekannt sind, haben einen hohen Wiedererkennungswert. Sie vermitteln das Gefühl, doch nicht ganz fremd zu sein.

Wenn auch viele Kinder anfangs nicht selbst auf die Gegenstände zugehen und mit  der Freiheit einer vorbereiteten Umgebung noch wenig anfangen können, so kann doch der Lehrer die Gegenstände nutzen, um Brücken zu bauen.
Viele Kinder brauchen eine gewisse Zeit, in der sie die anderen Kinder beobachten und von ihnen lernen, die Materialien zu nutzen. Manche Schüler trauen sich trotz Anleitung erst nach und nach die notwendigen Arbeitsmaterialien selbst aus den Regalen zu holen.

Alle Lernmaterialien sollen übersichtlich sortiert werden. Sie sind den Kindern jederzeit zugänglich.


Die Materialien stehen - mit Ausnahme der Kopiervorlagen - stehen den Schülern zur freien Verfügung. Jeder Schüler entscheidet, wie er zu seiner Lösung kommt und welche Hilfsmittel er dabei benutzt.
An einigen Stellen werden sie in den Arbeitsblättern ausdrücklich dazu aufgefordert, bestimmte Hilfsmittel zu benutzen, in anderen Übungen müssen sie selbst entscheiden, welche Hilfsmittel sie nutzen könnten (Atlas, Verben-Liste...).

 

 

 

Alphabet und Schrift

Schüler aus Sprachen mit fremdem Alphabet und anderen Schriftzeichen müssen anfangs das deutsche Alphabet erlernen.
Deutsche Schüler beherrschen z.T. das Schreiben nicht sicher und fangen mit dem Erlernen einer sicheren Schrift an.
Jeder Schüler muss sauber und ordentlich schreiben. Wir stellen alle Kinder, die aus der Grundschule keine lesbare Schrift mitbringen, auf die „Lateinische Ausgangsschrift” um. Dieser Schritt hat sich vielfach bewährt und erleichtert den Schülern das Merken der Rechtschreibung. Es führt zu einem weit höheren Grad der Automatisierung als die derzeit propagierte „Vereinfachte Ausgangsschrift” oder gar Druckschrift in all ihren Variationen.


Gehirn aktivieren

Schon in den ersten Tagen fällt bei vielen Schülern auf, dass sie mit Vorliebe eine Hand zwischen den Knien, unter dem Hintern, in der Hosentasche oder in den Haaren verstecken. Viele Schüler können schon deshalb nicht ordentlich schreiben, weil beim Schreiben das Blatt wegrutscht.
Bekanntlich sind Hand und Hirn zusammen leistungsfähiger.
Ebenso bekannt ist die wechselseitige Beeinflussung der rechten und linken Körperhälfte mit der linken und rechten Gehirnhälfte.
Kreativität entsteht durch Zusammenspiel der beiden Gehirnhälften. Wissen, Erfahrungen und Ideen müssen zusammengeführt werden. Das erleichtert das Lernen.

Wir erklären unseren Schülern, dass sie ihr Potential nicht nutzen können, wenn sie immer nur den halben Kopf, das halbe Gehirn, die halbe Aufmerksamkeit einsetzen.

Sobald die Kinder anfangen, mit beiden Händen aktiv bei der Arbeit zu sein, verbessern sich ihre Leistungen.
Selbst „LRS” und „ADHS” relativieren sich unter der Bedingung, die Aufmerksamkeit zu konzentrieren und mit ganzem Herzen und ganzem Hirn zu arbeiten.

 



Arbeitsblätter benutzen

Die Nummerierung und Reihenfolge der Kapitel ist eine mögliche Reihenfolge ihrer Bearbeitung.
An vielen Stellen ist ein Vorziehen oder Verschieben von Kapiteln möglich. Die aufeinander aufbauenden Grammatik-Kapitel (Zeiten I, II, III...) sollten nur in der richtigen Reihenfolge verwendet werden.
Der Umfang der Übungseinheiten kann verändert werden. Anfangs eines jeden Kapitels finden sich Erklärungen und Übersichten, Nachschlagemöglichkeiten oder Tabellen. Diese sind fester Bestandteil der Kapitel und bleiben mit den Übungsblättern zusammen.

Es gibt innerhalb der Kapitel keine Nummerierung der Blätter.
Das erleichtert ein Verändern der Reihenfolge in der Kopiervorlage oder auch für einzelne Kinder. Ergänzungen oder Verbesserungen können problemlos integriert.
Der Schüler bekommt die Arbeitsblätter in der Regel  im Kapitelzusammenhang, deren Blätter er zu nummerieren hat.
zur Wiederholung können Teile der Kapitel auch einzeln verwendet werden.
Erst nach vollständiger Bearbeitung des Kapitels nimmt ein Schüler die korrgierten Blätter mit nach Hause.

Alle Kapitel sind so konzipiert, dass immer nur ein Thema ausdrücklich geübt wird (z.B. Wortarten), immer aber gleichzeitig auch Satzbau und Wortschatz trainiert werden.
Die Schüler können meist eigene Ideen einbringen, eigene Sätze konstruieren, eigene Themen für ihre Beispiele suchen.


Thematische und inhaltliche Einschränkungen setzen wir, wenn Schüler Grenzen überschreiten (Beleidigungen, Drohungen etc.)

 


Dokumentation/ Individuelle Förderpläne

Für jeden Schüler ist ein Stammblatt und eine Übersicht der Themen angelegt. Bei Ausgabe eines neuen Kapitels wird das mit Datum eingetragen. Auf diese Weise kann jederzeit nachgesehen werden, welche Themen bereits bearbeitet wurden. Darüber hinaus sind Vermerke möglich, was als nächstes bearbeitet werden sollte oder welche Kapitel außerdem noch dringend zu bearbeiten sind.

Besonderheiten und Auffälligkeiten bei der Arbeit der Schüler werden in den Schülerakten dokumentiert.

Bei Verdacht auf besondere Lernschwierigkeiten oder Lernbehinderung nutzen wir einen speziellen Beobachtungsbogen.
Er kommt dann zum Einsatz, wenn wir den Verdacht auf besonderen Förderbedarf haben, was aber aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse noch nicht auf klassischem Weg beobachtet, dokumentiert und getestet werden kann.
Dokumentiert wird - wenn notwendig - auch der Umgang der Kinder mit bestimmten Aufgaben, ihre besondere Schwierigkeiten bei der Bearbeitung und sonstige Beobachtungen über das (Lern-)Verhalten der Kinder.
Auch für Schüler ohne deutsche Sprachkenntnisse können wir auf diese Weise dokumentieren, wo ihre besonderen Probleme liegen und dass ggf. Förderbedarf im Sinne einer sonderpädagogischen Förderung besteht.