Deutsch lernen inklusiv

Raum zum Lernen

 

 

Für gelebte Inklusion wird es nie Rezepte geben.


Alle Entscheidungen müssen individuell immer wieder neu gefällt werden.


Wir stellen ein Konzept vor, mit dem seit 1996 über 500 Schüler die deutsche Sprache - und Vieles mehr - lernten.

 

 


Anfang der 90er Jahre war die Johannesschule mit Kindern osteuropäischer Einwanderer und Flüchtlingen aus aller Welt konfrontiert - und nicht darauf vorbereitet.

Die damals üblichen Sprachbücher waren meist eng an die jeweilige Herkunftsprache gebunden und nicht ausreichend flexibel für heterogene Lerngruppen einsetzbar.
Aus der Not entstanden erste Ideen, wie mit diesem Problem, dessen Ende nicht absehbar schien, in Zukunft umzugehen sei.

Wir haben uns schnell von damals gängigen Systemen der „Ausländerförderung” verabschiedet. Auch von den gängigen Unterrichtskonzepten für „Deutsch als Zweitsprache” oder „Deutsch als Fremdsprache” haben wir uns sehr bald entfernt.
Die Vorgaben waren für unsere Zielgruppe und Situation zu eng, nicht individuell genug, nicht ausreichend altersangepasst und vor allem nicht flexibel genug.

Wir arbeiten mit Kindern und Jugendlichen sehr unterschiedlicher Herkunft, sehr unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Begabung. Jedes Kind hat einen sehr individuellen Hintergrund - sowohl persönlich wie auch familiär.
Sie kommen, wie sie kommen.
Sie dürfen sein, wie sie sind.
Wir nehmen sie, wie sie sind.

Immer wieder kommen neue Schüler dazu, bei denen erst während des Prozesses des Spracherwerbs z.B. eine Lernbehinderung festgestellt wird. Einige Kinder erhalten daher zusätzlich besondere Betreuung in einer Integrativen Lerngruppe.
An der Deutsch-Förderung nehmen aber auch Kinder aus dem Gemeinsamen Unterricht und den integrativen Lerngruppen der Schule teil, die Defizite in Deutsch haben und mehr Förderung brauchen als in der Klasse gewährleistet ist.
Inklusion bedeutet für uns, dass jedes Kind nach seinen Fähigkeiten gefördert wird. Jedes Kind nimmt teil, soweit es ihm nutzt.
Jedes Kind bekommt zusätzlich die Hilfe, die es braucht.

Ohne anfangs zu wissen, ob ein Schüler lernbehindert, normalbegabt oder besonders begabt ist, fördern, fordern und beobachten wir die Entwicklung unserer Schüler. Keinem dieser Kinder ist sein Potential oder seine Einschränkung auf die Stirn geschrieben.
Viele dieser Kinder kämpfen aufgrund der Lebenssituation mit großen Lernhindernissen.
Die Arbeit mit den Kindern muss daher in alle Richtungen offen sein.
Jedes Kind soll sich so entwickeln können, wie es ihm möglich ist.

Auf diese Weise lernen sogar Kinder Deutsch - und viel mehr - die eigentlich als geistig behindert gelten und wohl wenig Chancen im Leben hätten.  Manchmal ist es gut, das nicht vorher zu wissen.
Ganz im Sinne Montessoris können wir davon ausgehen, dass jedes Kind alles, was es braucht, lernen kann. Was das ist und wie es das lernen wird, entdecken wir im Laufe der Zeit gemeinsam.

Gerade Kinder, denen bisher wenig Chancen geboten wurden, die wenig lernen konnten, saugen Wissen und Anregungen wie ein Schwamm auf.


Um Inklusion leben und die Potentiale jedes Kindes entdecken zu können, muss die Lernumgebung vorbereitet sein, das Lernen zu ermöglichen und das erforderliche Handwerkszeug zu bieten.

Die vorbereitete Umgebung soll inklusiv, also für alle zugänglich und für alles offen sein, das dem Kind auch im späteren Leben begegnen kann.

Wirklich inklusiv ist Schule erst dann, wenn sie sich als Lernumgebung für gemeinsamen Unterricht aller Kinder versteht.

•    Sie lebt gemeinsames Lernen behinderter und gesunder Kinder.
•    Sie schließt individuelle Förderung sozial benachteiligter Kinder mit ein.
•    Sie ermöglicht gemeinsames Lernen auch für Sprachanfänger mit Lerneinschränkungen oder Behinderungen.
•    Sie schließt niemanden wegen seiner Eigenheiten aus.
•    Sie respektiert alle Religionen und integriert verschiedene Kulturen
•    Sie umfasst jede Weltanschauung, solange sie die Rechte anderer nicht einschränkt.
•    Sie beinhaltet das Lernen in altersgemischten Gruppen.
•    Sie bereitet auf das Zusammenleben der Generationen vor.
•    Sie lehrt Verantwortung füreinander über alle Unterschiede hinweg.
•    Sie berücksichtig die persönlichen Rechte eines jeden Menschen auch außerhalb des eigenen Lebensbereichs.
•    Sie thematisiert ausdrücklich auch die Rechte der Mitgeschöpfe.
•    Sie vermittelt Achtung vor den natürlichen Lebensgrundlagen aller Menschen.


Eine in dieser Weise integrativ-inklusiv arbeitende Schule braucht besondere Strukturen, um so individuell wie möglich arbeiten zu können.
Dazu gehören neben Räumen und Materialien vor allem Bezugspersonen.
Räume, Zeiten und Stundenpläne müssen ebenso gestaltet werden wie Arbeitsmaterialien, damit alle Kinder bestmögliche Bedingungen finden.
Wichtig sind Freiheiten zum Lernen und Lehren, die weit über das Übliche hinausreichen.

 

„Deutschunterricht inklusiv” ist mehr als nur Deutsch-Unterricht.

•    Er soll Schüler auf sehr unterschiedlichem Lernniveau parallel und über weite Strecken selbständig arbeiten lassen,
•    gleichzeitig aber eine enge Anbindung und ständigen Austausch mit dem Lehrer ermöglichen.
•    Die Schüler sollen konzentriert für sich alleine
•    oder auch miteinander und voneinander lernen können.
•    Sie sollen Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein erreichen, um sich später selbst weiterhelfen zu können.
•    Der Lehrer soll in vorbereiteter Umgebung als Moderator und Helfer zur Verfügung stehen.
•    Jedes Kind soll in eigenem Tempo und auf eigenem Niveau arbeiten,
•    bei Bedarf auch beliebig und an jeder Stelle wiederholen können.
•    Die Schüler sollen sich auch inhaltlich auseinander setzen.
•    Wichtig sind Wissen und Erfahrungen um die natürlichen und gesellschaftlichen Lebensgrundlagen.
•    Jedes Kind soll im Rahmen des Unterrichts besondere Interessen entdecken können.
•    Die Kinder sollen kreativ tätig sein, von Anfang an ihre eigene, persönliche Ausdrucksfähigkeit entwickeln.
•    Das Material soll Kindern und Jugendlichen verschiedener Alterstufen und Voraussetzungen gerecht werden.
•    Es muss ohne großen Aufwand flexibel einsetzbar sein.
•    Es soll so gestaltet werden, dass es jüngere wie ältere Sprachanfänger anspricht.
•    Das Arbeits-Material darf nicht verspielt, albern oder gar „kindisch” wirken.
•    Es soll zu ernsthafter Auseinandersetzung und zum Gespräch auffordern.

 


Gespräche verlaufen allerdings manchmal ganz anders als der Lehrer erwarten könnte:

so...

L    Wer hat Amerika entdeckt?
S    Was ?????????????
L    Na, wer war das?
S    Das war ich nicht!!!!

oder so...

S    Heute haben wir mit einer Apfelsine was über die Erde gelernt.
      Dann haben wir sie gegessen.
L    Toll! War sicher interessant.
      Was hast du denn gelernt?
S    Och,... nicht viel!
L     Hmmmmm? Warum nicht?
S    Ich hatte Hunger!